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Warum gibt es zu viele Autos oder zu wenig Parkplätze?

18. Juni 2020

Frank-ter-Veld_avatar_1580981868Ob es zu viele Autos oder zu wenig Parkplätze gibt, steht natürlich in Abhängigkeit von einander: Angebot und Nachfrage.

Dazu folgender Vergleich: Wenn Personen sich, statt einen kleinen Kühlschrank mit nur einer Tür, sich den neuen amerikanischen Kühlschrank mit drei Türen und Eiswürfelspender in der Küche wünschen, dann schauen diese Personen zuerst in der Küche nach, ob für diesen neuen großen Kühlschrank ausreichend Platz vorhanden ist. Ist ausreichend Platz da, dann wird der neue größere Kühlschrank gekauft.

Wenn Personen sich also dazu entschieden haben, sich einen neuen größeren PKW zu kaufen, werden sie im Vorfeld festgestellt haben, dass sich im direkten Umfeld der Wohnung ausreichend freien Parkraum befindet. Seit Jahren kaufen die Menschen sich nämlich mehr Autos und auch größere Autos. Dieses Kaufverhalten zeigt, dass „Parkdruck“ nicht existieren kann. Eigentlich…

Die Zahl der zugelassenen PKW privater Halter ist in Wuppertal tatsächlich also in den letzten 10 Jahren (2009 – 2019) von 159383 auf 179367 angestiegen (+ 17 %). Der PKW-Bestand hat sich in den letzten 10 Jahren ebenfalls erheblich verändert. Die Segmente der Fahrzeugklassen haben sich verschoben und neue Fahrzeugsegmente, wie SUV und Pick-Ups, sind dazugekommen. Für alle Segmente gilt, dass die Fahrzeuge länger und breiter geworden sind. Berechnet man die reine Bodenfläche der zugelassenen PKW in Wuppertal, dann hat diese Fläche (auf Basis der PKW-Zahl, PKW-Segmente und PKW-Abmessungen) von 2009 bis 2019 um 32 % zugenommen. Würde man alle PKW in Wuppertal hintereinander aufreihen, dann hat die Gesamtlänge um 22 % zugenommen (2009 – 2019) – mit klaren Folgen. Beispiel: Im Teilstück der Untergrünerwalder Straße (zwischen Luisenstraße und Friedrich-Ebert-Straße, mit einer Länge von 93 m) konnte man in 2009 noch an einer Seite 19 PKW abstellen, in 2019 sind es nur noch 18 PKW. Es können also in 2019 zirka 15 % weniger PKW in Wuppertal abgestellt werden beim längsparken als in 2009. Eine Berechnung, die sich auf alle Wuppertaler Straßen übertragen lässt. Bei den neuen breiteren Fahrzeugen, vorrangig SUV, die in 2019 bereits 7 % des PKW-Bestands ausmachen, tritt darüber hinaus ein neues Problem auf: die Restfahrbahngasse unterschreitet 3 m, wenn zwei dieser PKW beidseitig abgestellt werden. Linienbusse und Rettungsdienste kommen dann nicht mehr durch (Beispiele: Hubertus Allee und Reitbahnstraße). Die Überbreite der neuen PKW bedingt zunehmen, dass nicht länger beidseitig geparkt werden kann.

Wenn der Parkraumbedarf um üppige 32 % zugenommen hat, das Stellplatzangebot aber nicht – bis kaum – erhöht wurde, dann zeigt sich, dass diese zusätzliche Fläche jetzt eingenommen wird an Stellen, die nicht zum Parken vorgesehen sind. Auf Deutsch: Falschparken. In der Verwaltungsvorlage schreibt der kommunale Ordnungsdienst Vergleichbares. Hierbei ist das verbotswidrige Parken auf Gehwegen oftmals „nur“ eine Behinderung. Falschparken in Einmündungen und Bewegungsflächen der Feuerwehr, ist eher eine Gefährdung. Darum hat der Gesetzgeber neue Bußgelder erlassen, da man erkannt hat, dass Falschparken kein Kavaliersdelikt ist. Im Europavergleich bleibt die Höhe der Bußgelder in Deutschland eher harmlos. Das Falschparken als „Lösung“ zu dulden um in einer Stadt strukturell mehr Parkraum zu schaffen, ist keine anständige Politik.

Um das Problem zu lösen, gibt es folgende Grundgedanken beim Parkraumangebot:

  • Privatverwendung des öffentlichen Raums, z.B. das Parken, kann grundsätzlich nicht gratis sein.
  • Das Abstellen von Privateigentum im öffentlichen Raum kann unterschiedlich teuer sein in Abhängigkeit vom Standort.
  • Es soll angestrebt werden, dass Privateigentum primär auf Privateigentum (Grundstück) abgestellt wird. Die Stellplatz- und Ablösesatzung können diesbezüglich wichtige Stellschrauben sein.
  • Mit Hilfe der Digitalisierung kann

o    die Nutzung des vorhandenen Parkraums optimiert werden

o    die Ahndung von Falschparkern automatisiert werden

o    die Parkleitsysteme können verbessert werden

o    Die Parkleitsysteme sollen mit P+R-Parkplätze am Stadtrand und den ÖPNV integriert werden

Seitens der Parkraumnachfrage, zeigt die Verkehrsbefragung der Stadt Wuppertal aus 2011 wichtige Stellschrauben. Zirka 25 % der Wege mit einem PKW sind unter 2 km, zirka 50 % der Wege sind unter 5 km. In den Morgenstunden ist jedes 5. Fahrzeug ein Elterntaxi. Diese Zahlen aus 2011 zeigen, dass das oftmals zitierte „aufs Auto angewiesen sein“ durchaus hinterfragt werden darf. In Wuppertal werden schlichtweg sehr viele Wege mit einem PKW absolviert, auch sehr kurze Wege. Diese Art der Mobilität mit einem PKW bedarf (leider) sehr viel Platz. Politik und Verwaltung haben darum für den PKW-Verkehr extrem viel Platz geschaffen – dies passiert großenteils unverändert (IKEA-Kreisel, Kreisel Lichtscheid, Döppersberg). Stehen aber alle Gehwege voll mit PKW, dann wird der 2 km Fußweg nicht zum Vergnügen. Auch die Sicherheit des Fußverkehrs nimmt rapide ab beim vielen Falschparken. Die Stadt Wuppertal belegt seit Jahren den Spitzenplatz bei den Fußverkehrsunfällen.

Die Flächeninanspruchnahme der PKW überstrapaziert seit vielen Jahren den öffentlichen Raum. Eine Gleichbehandlung aller Verkehrsträger gibt es darum aktuell im Straßenverkehr keineswegs. Diese bisherige Ungleichbehandlung äußerst sich immer sofort, wenn an Stelle XY einige Parkplätze wegfallen. Es gibt dann einen gewaltigen Aufschrei. Dass dabei die vorhandene Ausgangslage als Schieflage betrachtet werden muss, indem der PKW-Verkehr unverhältnismäßig viel Verkehrsraum in Anspruch nimmt, wird gerne verdrängt. Um eine tatsächliche Gleichbehandlung aller Verkehrsträger zu gewährleisten, wird man den Nah-, Rad- und Fußverkehr erheblich mehr Verkehrsraum bereitstellen müssen.

Bei allen Verkehrsträgern gilt: schafft man ein bequemes, preisgünstiges und sicheres Angebot, dann kommen auch die Nutzer. Das Auto ist dabei ein hervorragendes Beispiel. Umgekehrt, reduziert man dieses Angebot, dann verschwinden die Nutzer. Vergleicht man die Verkehrsbefragung für Wuppertal aus 2002 und 2011, stellt man eine Abnahme des Fußverkehrsanteils von 32 auf 15 % fest.

In erster Linie muss also ein zeitgemäßes Angebot für den Nah-, Rad- und Fußverkehr in unserer Stadt hergestellt werden. Dazu gibt es viele moderne Planungselemente, wie z.B. Fahrradstraßen, Shared-Space und Bustrassen. Aber auch klassische Elemente, wie Gehwege mit ausreichender Breite, guter Aufenthaltsqualität und sichere Wegeverbindungen sind notwendig um den Verkehr zukunftsfähig steuern zu können. Dass die potentielle Nutzer auch in Wuppertal ausreichend vorhanden sind, zeigen uns die Hardt-Anlagen oder Nordbahntrasse. Die WuppertalerInnen gehen gerne zu Fuß!

Frank ter Veld