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Sparpaket – Haushaltssicherungskonzept

16. März 2010

„Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Titel der heutigen Vorstellung lautet:

SPAREN, UM ZU GESTALTEN

Dieses Motto prangt auf dem Deckblatt des Haushaltssicherungskonzeptes. Diesen Untertitel unter ein Mega-Sparpaket zu setzen, das die Identität und die Selbstverwaltung Wuppertals angreift, ist an Zynismus nicht zu übertreffen.

Das Haushaltssicherungskonzept ist ein Trauerspiel, dessen erster Akt uns heute vorgeführt wird.
Ja, vorgeführt, der Rat der Stadt Wuppertal wird vorgeführt, um gravierende Sparmaßnahmen der Verwaltung zur Kenntnis zu nehmen. Der Rat soll nicht selbst auf der Bühne stehen und Verantwortung übernehmen.

Inszeniert wurde dieses Trauerspiel von Oberbürgermeister Jung und Stadtkämmerer Dr. Slawig. Beide sind wild entschlossen, mit einem Sparpaket von jährlich 80 Mio. Euro von Land und Bund finanzielle Unterstützung abzutrotzen. Eine gewagte Inszenierung, die beim Publikum – sprich bei den Bügerinnen und Bürgern – durchfällt, zu heftigen Proteststürmen geführt hat und Land und Bund nicht zur Hilfe zwingen kann.
Heute geht es um „laufendes Geschäft der Verwaltung“, also Maßnahmen, die eigentlich ohne politische Diskussion und Beschluss vom Oberbürgermeister und der Verwaltungsspitze erledigt werden können. Bei einigen Maßnahmen gibt es von den Grünen Applaus: z.B. die energetische Sanierung von Schulen oder Energieeinsparung bei der Straßenbeleuchtung.
Andere Positionen sind eher dekorativ, wie z.B. die Umsetzung bereits beschlossener Schulschließungen oder die Bündelung von IT-Leistungen oder Abrechnungssystemen.
Bei weiteren Maßnahmen taucht die Frage auf, warum erst jetzt? (Zinsoptimierung, Kürzung im Sachkostenbereich. Gewinnabführung GMW).

Die größten Zahlen aus diesem 44 Millionen Euro-Paket aber sind die, unter denen wir uns am wenigsten vorstellen können. Beispiele gefällig:

-strukturelle Senkung der Personalkosten (12 Mio)

-Umsetzung von Standardreduzierungen bei Pflichtaufgaben (3 Mio)

-Mehreinnahmen Gewerbesteuer (3 Mio)

-usw

Rund die Hälfte der Summe der hier aufgeführten Sparmaßnahmen bleiben sehr nebulös. Auch unsere Nachfragen haben diese Nebel nicht lüften können, auch wenn wir mit unserer Großen Anfrage aus dem Dezember viele wertvolle Informationen bekommen haben.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass SPD und CDU kurz vor dem SPD-Unterbezirksparteitag am Samstag doch noch die Kurve gekriegt haben und die meisten der vorgeschlagenen Kürzungen im Sozialbereich nicht mittragen wollen. Das ist gut und richtig, aber der Widerstand muss noch weiter gehen.

Herr Dr. Slawig, Sie scheinen Ihre Reihen nicht mehr fest hinter sich geschlossen zu haben. Ihr Sparpaket zerbröselt und das ist auch gut so.

Ich vermute, dass es sogar noch einen Spielplan B im April und Anfang Mai geben wird, in dem CDU und/oder SPD nochmal als Retter in der Not auftreten und verkünden werden, dass sie die Schließung des Schauspielhauses, der Schulbibliotheken und der Schwimmbäder auch nicht mitmachen.

Können Sie sich noch an die Inszenierung im Jahr 2003 erinnern? Bergische Akteure, als Bettler verkleidet, reisten nach Berlin, um auf die finanzielle Notlage der Kommunen im Bergischen Land aufmerksam zu machen und auf eine Gemeindefinanzreform zu drängen. Bis heute hat sich nichts getan, im Gegenteil, immer mehr Kommunen sind mittlerweile hoch verschuldet und am Ende ihrer verfassungsmäßig garantierten Selbstverwaltung angekommen!
Wie viele zig Millionen auch eingespart würden, Wuppertal kann sich nicht selbst aus der Schuldenfalle befreien.

Wir begrüßen, dass sich die Städte des Ruhrgebietes und des Bergischen Landes dem Aktionsbündnis „Raus aus den Schulden“ angeschlossen und das Essener Signal formuliert haben. Darin wird klargestellt, welche Ursachen und Auswirkungen die Schuldenlast für die Kommunen hat und es werden richtige Forderungen an Bund und Land gestellt.
Denn eins ist klar und wird auch von der Verwaltung in der Antwort auf unsere Anfrage zu den Einnahmeausfällen bestätigt. Wuppertal hätte einen ausgeglichenen Haushalt, wenn Bund und Land in der Vergangenheit den Kommunen nicht derartige finanzielle Lasten zugemutet hätte.

Welche Forderungen jetzt gestellt werden müssen, haben wir in unserer Ergänzung zum Antrag von CDU und SPD TOP 4.4 „Essener Signal uneingeschränkt unterstützen“ formuliert. Überhaupt die Rolle der Kommunalaufsicht bei dieser Veranstaltung in Essen. Auf die Frage wie die Kommunen von ihren hohen Defiziten herunterkommen können brachte der Leiter der Kommunalaufsicht im IM das Beispiel der Buchausleihen und die preislichen Unterschiede zwischen 4.- Euro und 12,50 Euro. Hier müssten Benchmarkvergleiche angestellt werden.

Wie zum Beispiel Wuppertal und andere Großstädte denen häufig über 200 Millionen Euro zum Haushaltsausgleich fehlen von ihren hohen Defiziten herunterkommen sollen, da kamen keine konkreten Vorschläge, das zeigt die Ohnmacht des von Minister Wolf FDP geführten Innenministeriums.

Sparen ist für Wuppertal seit mehr als 10 Jahren an der Tagesordnung und auch die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN ist bereit, harte Einsparungen mitzutragen, doch nur dann, wenn es einen Sinn macht. Und es macht keinen Sinn, im vorauseilenden Gehorsam die Stadt kaputtzusparen und auf ein Wunder zu hoffen. Wir verlangen eindeutige Konzepte, die einen Weg aufzeigen, wie wir die Wuppertaler Finanzen in den Griff bekommen ohne die Stadt kaputt zu sparen. Wir werden keiner Sparmaßnahme – sei sie noch so sinnvoll – zustimmen, wenn nicht klar ist, dass mit dieser Maßnahme der Wuppertaler Schuldenberg nachhaltig abgetragen wird. Wir befürchten, dass die Umsetzung des Haushaltssicherungskonzeptes nur eines bewirkt: Wuppertal wird kaputt gespart!

Die geplanten Einsparungen reichen noch nicht einmal aus, das jährliche Minus auszugleichen, geschweige denn kann so ein Abbau oder der weitere Anstieg der Schulden erreicht werden.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf den demografischen Wandel, der für Wuppertal jetzt schon einen überdurchschnittlich starken Bevölkerungsrückgang vorhersieht. Dieser Trend wird sich noch verstärken, wenn immer mehr Einrichtungen schließen werden. Wer kann, zieht weg.

In Wuppertal sollen Lichter ausgehen, die nicht ausgehen dürfen! Das Schauspielhaus, Schwimmbäder, Stadtteil- und Schulbibliotheken sollen geschlossen werden, doch sie sind unersetzlich für die Lebensqualität in Wuppertal.

Eine Erhöhung der Elternbeiträge in Wuppertaler Kitas, während sie in Düsseldorf ganz abgeschafft werden, ist absurd. Dass die Stadtverwaltung kaum noch ausbilden darf, junge Nachwuchskräfte nicht mehr übernommen werden dürfen und Feuerwehrleuten ihr angemessenes Gehalt vorenthalten wird, ist ein Skandal, der nicht hinnehmbar ist. Mit den Sparplänen hat es Wuppertal zu einer traurigen Berühmtheit in Deutschland gebracht. Wuppertal ist zum Synonym für eine sterbende Stadt geworden.

Daher ist es jetzt an der Zeit zu sagen: „NEIN, das machen wir nicht mit! Wir werden unsere Stadt nicht kaputtsparen!“

Herr Oberbürgermeister, Herr Dr. Slawig,
die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN fordert Sie auf: hören Sie auf mit Ihrem Theater und leisten Sie endlich Widerstand gegen eine Landes- und Bundespolitik, die den Städten und Gemeinden und damit ihren Bürgerinnen und Bürgern die Luft abschnürt.
Allein durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz werden für Wuppertal Einnahmeverlust von ca. 7 Mio. Euro in diesem Jahr prognostiziert. Auch in dieser Ratssitzung gibt es zwei Anträge von EU und Land die unser Minus erhöhen werden. Als Beispiel führt die vom Land aufgegebene Jagdsteuer auch in der Stadt Wuppertal zu einem weiteren Minus.
Herr Oberbürgermeister, kündigen Sie zivilen Ungehorsam nicht nur an. Tun Sie etwas, gemeinsam mit dem Rat der Stadt Wuppertal und stimmen Sie unserem Antrag TOP 1.4.5 „Haushaltskonsolidierung nur bei Vorleistung des Landes“ zu.

Einen prominenten Mitstreiter hätten Sie schon auf Ihrer Seite:
Ministerpräsident Rüttgers sagte in einem Spiegel-Interview vom 8.2.2010:
Ich zitiere:
„Nordrhein-Westfalen wird keiner Steuersenkung zustimmen, die dazu führt, dass in unseren Städten und Gemeinden Theater und Schwimmbäder geschlossen werden müssen. Ich werde es auch nicht zulassen, dass der Ausbau von Kindergärten ins Stocken gerät. Das Wohl meiner Kommunen ist mir wichtiger als Steuerentlastungen, für die in Wahrheit kein Geld da ist und die nicht automatisch zu mehr Arbeitsplätzen führen. Sie sind für die Mehrheit der Menschen auch nicht glaubwürdig.“

Also: die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN wird keinen Auflagen der Landes- oder Bezirksregierung und keinem Sparpaket der Verwaltung zustimmen, die dazu führen werden, dass in Wuppertal soziale und kulturelle Einrichtungen wie das Theater oder Schul- und Stadtteilbibliotheken geschlossen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat der Stadt,
leisten Sie jetzt Widerstand! Mit einem Ja zum Haushaltssicherungskonzept oder mit dem Abnicken der Vorlage VO/0131/10 handeln Sie nicht zum Wohle der Stadt!

Ich bitte Sie, stimmen Sie unseren Anträgen zu und
– entscheiden Sie selbst über die Sparmaßnahmen, ziehen Sie die laufenden Maßnahmen der Verwaltung wieder in den Rat!
Fordern Sie mit uns von Land und Bund
– einen Entschuldungsfonds für notleidende Kommunen,
– die Umsetzung des in der Landesverfassung verankerten Konnexitätsprinzips
– die Umwandlung des Solidaritätsbeitrags Ost in einen Soli für strukturschwache Kommunen
– und eine Gemeindefinanzreform, die diesen Namen auch verdient.

Und entscheiden Sie sich für eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, denn nur so wird es gelingen, Wuppertal lebenswert und zukunftsfähig zu gestalten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.