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Kostenerstattung für Verhütungsmittel

1. März 2011

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

seit Wochen wird über die Hartz IV Regelsätze diskutiert. Ob Schnittblumen oder Tabak dazu gehören, will ich hier und heute nicht thematisieren, sondern mich auf einen, wie ich meine, gravierenden Aspekt beschränken: Die Frage, ob Verhütungsmittel kostenlos zu Verfügung gestellt werden sollen bzw. müssen oder nicht.

Wie wir schon in unserem Antrag deutlich gemacht haben, beträgt der Betrag, der für den Bereich Gesundheitspflege veranschlagt wird, 15,55 €.

Per Gesetz erfolgte ab dem 1. Januar 2004 eine vollständige Anbindung der sozialrechtlichen Gesundheitshilfe an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherungen, mit der Folge, dass es schwierig ist, die Kosten für ärztlich verordnete empfängnisverhütende Mittel zu übernehmen.

Und die Folgen werden immer deutlicher: „Schwanger aus Armut“ titelt die Süddeutsche Zeitung und greift damit eine Thema auf, weshalb viele Beratungsstellen schon Alarm geschlagen haben. Denn viele Frauen können sich die Pille einfach nicht mehr leisten.

Von 15,55 € müssen Hartz IV Bezieherinnen die Praxisgebühr sowie die sogenannten Bagatellmedikamente bezahlen. Bei einer Hartz IV Bezieherin sieht das z.B. im Falle einer Erkältung dann so aus:
10,- € für den Arztbesuch. Der empfiehlt einen Hustenlöser und Aspirin gegen die Kopf- und Gliederschmerzen. Das sind also 10,- € Praxisgebühr, der Hustenlöser kostet 4,59 €, und 5,49 € muss für das Aspirin bezahlt werden. Allein das sind schon 20,08 €. Und ich habe hier Preise einer Online-Apotheke zugrunde gelegt und keinen Versand berücksichtigt! Das, meine Damen und Herren, überschreitet schon den Regelsatz. Wenn ich jetzt noch eine Anti-Baby-Pille dazu nehme, muss ich mindestens noch 10,-€ im Monat dazu rechnen. Und wir sind bei über 30,- €.

Das kann sich keine Frau, die bedürftig ist, leisten! Auch nicht, wenn der Regelsatz jetzt um 5,- € bzw. ab dem 1.1.2012 auf 8,- € angehoben wird. Denn das reicht immer noch nicht.

Und es reicht für diese Frauen auch nicht, wenn wir hier die Verantwortung an Land und Bund abschieben, wie es die Entscheidung von CDU, SPD und FDP im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit nahe legt. Die Zahl der regelmäßig verhütenden Hart IV Empfängerin ist seit der Reform von 67 % auf 30% gesunken, so Pro Familia.

Und die Kostenübernahme lohnt sich. Das belegen Zahlen aus Brandenburg und Berlin. In Berlin sind seitdem die Kosten wieder übernommen worden, die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche ist dort um 4% und in Brandenburg um 7% zurückgegangen.

Erschreckend ist die Kombination aus finanzieller Sorge und unerwünschter Schwangerschaft: ein Teufelskreis, der die psychosoziale Not der Frauen noch steigert. Es ist absurd – und hier sollten den Stadtverordneten mit dem „C“ im Parteinamen die Ohren klingeln – dass der Staat die Kosten einer Abtreibung von ca. 500,-€ zahlt, nicht aber die Kosten für die Verhütung von ungewollten Schwangerschaften trägt.

Deshalb finde ich es schade, dass sie den Versuch, mit den beiden großen Versicherern vor Ort ins Gespräch zu kommen, nicht einmal unternehmen wollen. Ich glaube, wer wie z.B. die BEK/GEK Männergesundheitstage sponsert, ist sicherlich auch bereit, über die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln zu reden.

Ich bleibe dabei: Es reicht nicht, die Verantwortung nach Düsseldorf oder Berlin zu schieben. Bekennen sie hier und heute Farbe und stimmen sie unserem PRÜFAUFTRAG zu. Damit treffen Sie noch keine Entscheidung, sondern stimmen nur zu, dass die Verwaltung die Möglichkeiten auflistet, wie mit dem Problem umgegangen werden kann. Auf dessen Basis muss dann erneut im Fachausschuss diskutiert werden. Dafür zumindest sollten Sie den Mut aufbringen!