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Handlungsprogramm Klimaschutz 2009 – 2020

30. Juni 2009

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

Bewertung insgesamt: positiv, Wuppertal ist auf dem richtigen Weg, etwas anderes wäre für die jetzige Koalition im Stadtrat auch nicht vermittelbar gewesen, da eine bestimmte Abhängigkeit unzweifelhaft von dem Weg besteht, den der grüne Umweltdezernent mit dem ersten Minderungsabkommen von 1996 eingeschlagen hat. In dieser Situation kein Folgeprogramm zu beschließen wäre selbst für die CDU, mehr aber noch im Schlepptau der CDU für die SPD ein politischer Selbstmord gewesen.

Aber das Wie ist entscheidend. Da existiert eine große Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit und daraus resultierend geht man nicht ehrlich mit dem Thema um und färbt alles ein wenig grün.

Drei Kritikpunkte zum Bericht und Handlungsprogramm gibt es aus unserer Sicht:

1. Der Aufbau des ersten Teils

Der eigentliche Bericht zu den erzielten Ergebnissen des Minderungsabkommens im Zeitraum 1996-2009 ist nicht gelungen, geschuldet der Komplexität des Themas oder aber weil sich so einige Dinge besser „umschreiben“ lassen.

Im Großen und Ganzen spricht der Bericht von einer erfolgreichen Umsetzung des Programms. Alle Maßnahmen wurden weitestgehend eingeleitet und umgesetzt. Schon auf den ersten Blick stellt sich dann aber die Frage, warum durch die Umsetzung der Maßnahmen nur ein Drittel des Sollwertes bei den CO2 Reduktion erreicht wurde.

Grundsätzlich sollten durch technische Maßnahmen 10% (300.000 t) reduziert werden. Und tatsächlich ist dieses Ziel nach Aussage des Berichts erreicht worden. Aber in dieser erzielten Reduktion sind allein 120.000 t, die durch den Austausch eines Kohleblocks mit einer Gas- und Dampf Turbine erreicht wurden. Der Bericht spricht von der erfolgreichsten Einzelmaßnahme mit der höchsten Reduktion. Aber er sagt auch, dass dieser Austausch lediglich als Option in das Minderungsabkommen aufgenommen wurde. Im Nachhinein also eine zusätzliche Reduktion durch eine richtige Entscheidung darstellt.

Sprich 120.000 t angepeilte Reduktionen sind nicht realisiert worden wie geplant.

Geht man ins Detail, findet man einige eher kleine Hinweise darauf, welche Maßnahmen warum nicht „funktioniert“ haben. Beispiel Windkraft: Im Abkommen geplant waren 9 Anlagen, davon realisiert 2. Begründung: Nach Änderung des Windkrafterlasses 2005 und der darin enthaltenen Abstandsregelung von 1500 m konnten zumindest weitere 5 Anlagen nicht mehr errichtet werden. Was war bis 2005? Zwei der geplanten Anlagen hätten auch trotz des neuen Erlasses gebaut werden können, so der Bericht, sind aber nicht realisiert. Dabei handelt es sich z.B. um Anlagen, die das Landschaftsbild auf dem Scharpenacken nach Meinung der Ratsmehrheit zerstört hätten; die gleiche Ratsmehrheit bebaut nun ca. 30 ha des Scharpenacken mit wahrscheinlich sichtechtem Beton – so lässt sich der Klimaschutz natürlich nicht rechtfertigen.

Neben diesen 10% Reduktion durch technische Maßnahmen sollten ja weitere 28% (ca. 840.000 t.) eingespart werden. Hier erklärt der Bericht, dass viele erzielte Reduktionen derzeit nicht detailliert messbar sind und erst ab Mitte 2009 mit einer CO2 Detailbilanz begonnen werden kann. Trotzdem benennt der Bericht eine Zahl.

1 Mio. Tonnen CO2 sind im Zeitraum von 1992-2006 eingespart worden. Zumindest, wenn man die Bilanzierungsmethode des Klimabündnisses anwendet. Diese sei aber nicht vergleichbar mit der Methode, aufgrund derer die angestrebten 840.000 t errechnet wurden. Zudem seien in den 1 Mio. t auch verkehrsbedingte Reduktionen enthalten, die aber gar nicht Bestandteil des Minderungsabkommens waren.

Genau diese Messmethode lässt Zweifel an dem ersten Teil der Beschlussvorlage aufkommen. Ein Verdacht von mehr Schein als Sein stellt sich ein. Es besteht eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

2. Zum neuen Handlungsprogramm (2009-2020)

Nur kurze Stichworte:

Das neue Programm setzt zunehmend auf Energieeffizienzmaßnahmen. Der Ausbau von Erneuerbaren Energien wird weit weniger betont.

Wir meinen, dass zukünftig drei Säulen miteinander verzahnt werden müssen: Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbare Energie. Diese drei Säulen sind Bestandteil unseres Ergänzungsantrages zum Thema Energieeffizienzcluster, an dem bekanntlich die SPD schon seit vielen Jahren intensiv arbeitet, bisher aber weder zu einer Idee, geschweige denn zu einer Ratsinitiative gebracht hat. Dazu aber gleich mehr.

Denn insgesamt entsteht der Eindruck, dass weniger Geld von Seiten der öffentlichen Hand bereitgestellt werden soll für Investitionen in Anlagen, sondern vielmehr in Dinge wie Kommunikation, d.h. Werbung, Kooperation und Beratung, Beratung der KundInnen, so wie im beschlossenen, aber noch nicht vorgelegten Handlungsprogramm zum Thema Denkmalschutz und erneuerbare Energien/ Photovoltaik. Also auch hier eher viele Worte und weniger Umsetzung.

Viel wird in Zukunft davon abhängen, ob die angestrebten Maßnahmen tatsächlich konsequent realisiert und nicht durch spätere Beschlüsse torpediert werden,
Insofern ist dieses Handlungsprogramm ein erster Wurf, aber eben kein Großer, es fehlt an einer Vision, an einem Ziel, das wir verfolgen und das uns wirklich voran bringt.

3. Ein Verbesserungsvorschlag für das Handlungsprogramm

Das Handlungsprogramm ist in sechs Handlungsfelder untergliedert. Es sollte ein siebtes hinzugefügt werden. Wuppertal und die Region Bergisches Land sollten die Schaffung neuer Jobs im Wachstumsmarkt Erneuerbare Energien vorantreiben. Das Rennen der Regionen um diese Unternehmen ist noch nicht entschieden und Potenziale gerade in unserer Region bieten sich an. IHK und Handwerk haben für ein solches Projekt grünes Licht signalisiert, das Wuppertal Institut ist bereit, den Antrag (mit) zu formulieren, die Energieagentur steht Pate, die Uni liefert das Know how junger AkademikerInnen und die Wirtschaftsförderung vernetzt alle Beteiligten miteinander.

Denn auf den ersten Blick mag dieser Aspekt in einem Handlungsprogramm zur CO 2 Reduzierung irritieren, aber zwei Gesichtspunkte sollte man in den Blick nehmen.

Erstens werden solche Produktionsstätten das Thema Klima neu betonen, auf eine andere Ebene ziehen und Private werden zusätzlich für Energieeffizienz, Energieeinsparung und neue Formen von Energieerzeugung sensibilisiert. Zweitens – für mich der wichtigere Punkt – diese Unternehmen bedienen einen Wachstumsmarkt und sind somit zukunftsfähige Arbeitgeber und zuverlässige Gewerbesteuerzahler. Das wiederum versetzt die öffentliche Hand in die Lage, selber zu investieren und selber Kosten zu sparen. Eine klassische win-win-Situation.

Dass die CDU und in ihrem Schlepptau die SPD erst jetzt, mit der Auslobung des Ziel2-Wettbewerbes Energie, auf dieses Thema stoßen, ist sehr bedauerlich, denn dass das Thema und der Wettbewerb kommt, ist seit zwei Jahren klar. Und genau diese fehlende Weitsicht der Großen Koalition ist es eben, die nicht nur die Klimaschutzbilanz der Stadt schwach ausfallen lässt, sondern eben auch die Ausbeute bei den Ziel2-Strukturfödermaßnahmen. Wer mit einer heißen Nadel strickt, darf sich nicht wundern, wenn er auch einmal mehrere Maschen verliert, gerade auch im Städtevergleich.

Und, Herr Reese, dass die SPD gerade erst anfängt, neue Wege zu denken, wird dadurch deutlich, dass sie bei der Bundestagswahl den green new deal in ihrer Kampagne nicht nur kopieren wird, sondern in Wuppertal die Verwaltung und Wirtschaftsförderung per Ratsinitiative auffordert, kurzfristig zum Thema Energieeffizienzcluster ein Konzept vorzulegen. Wer langfristig denkt, muss nicht kurzfristig Modelle entwickeln. Auf diesen Begriff in ihrem Antrag hätten Sie verzichten sollen; er ist ungewollt ehrlich und offen – ganz anders, als wir die SPD in den letzten Wochen und Monaten kennen gelernt haben.

4. Last – not least

Ergänzend zu dem Bereich Bauen beantragen wir deutlich über das angekündigte und geplante Handlungsprogramm Denkmalschutz und erneuerbare Energien der Verwaltung schon heute auf, eine Satzung zu erarbeiten, die es modellhaft in der Nordstadt ermöglicht, bis zu 10% der Dachflächen mit Photovoltaik-Anlagen zu versehen. Die Investoren haben wir in ausreichendem Maße und der Denkmalschutz wird sich darauf einstellen müssen, dass er nichts mehr wert ist und weiter unter die Räder geraten wird, wenn die Energiepreise weiterhin so steigen, wie bisher. Insofern ist es dumm, den Verbraucher über erneuerbare Energien ausschließlich beraten zu wollen – wie wir es in einem ersten Schritt bereits beschlossen haben – beraten zu wollen, wenn man es ihm nicht ermöglicht, auch dafür Sorge zu tragen, dass sein Altbau entsprechend auf- bzw. umgerüstet wird.

By the way: Es ist schade, dass diese Diskussion bisher beschränkt wird auf das Thema Solaranlagen auf denkmalgeschützten Dachflächen, denn das Thema erneuerbare Energien geht deutlich weiter. Aber wir müssen ja auch in Zeiten großer Koalitionen wenigstens einen ersten Schritt gehen.

Sollten Sie aber jetzt, Herr Reese, in Erwiderung auf unseren Antrag den fast schon gescheiterten Satzungsversuch aus Marburg zitieren wollen, dann seien Sie schon jetzt versichert, dass wir mit unserem Antrag Meilen von dem Satzungsentwurf der Marburger entfernt sind, denn wir beantragen keine Baupflicht von Solaranlagen auf denkmalgeschützen Häusern. Wir wollen mit unserer Satzung nur den Weg ebnen, Denkmalschutz und erneuerbare Energien zusammen bringen zu können, gerade in den gründerzeitlichen Wohnquartieren, die den Charme von Wuppertal ausmachen.

Und auch wenn ich Sie bitte, unserem Ergänzungsantrag zuzustimmen, wenn gleich ich schon vermute, dass sie es nicht ertragen, einem grünen Antrag in Kommunalwahlzeiten zum Erfolg zu verhelfen, und den grünen Antrag ablehnen werden, so verliere ich die Hoffnung nicht, dass Wuppertal trotzdem in die richtige Richtung lenkt, wie einst 1996, dem Ausgangsjahr unserer heutigen Debatte, ob mit ihrer Beteiligung, Herr Reese, oder ohne Sie.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit