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BürgerInnenhaushalt

26. Mai 2011

Herr Oberbürgermeister,
mein Damen und Herren,

meine Fraktion fordert bereits seit Jahren, dass die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt an der Aufstellung des Haushaltes beteiligt werden. Bislang waren unsere Initiativen stets erfolglos. Die Lieblingsbegründung für die Ablehnung durch die große Koalition lautete, es sei vor dem Hintergrund der desaströsen Haushaltssituation der Stadt nicht möglich, den Bürgerinnen und Bürger ein Mitspracherecht einzuräumen. Nach Ansicht meiner Fraktion war es aber gerade darum wichtig, die Menschen bei der Frage nach der Prioritätensetzung in Zeiten leerer Kassen zu beteiligen und ihnen die Gelegenheit zu bieten, Vorschläge für Einsparungen einzubringen. Oftmals, und die durchgeführten Bürgerhaushalte z. B. in Köln belegen das, bringen die Bürgerinnen und Bürger Vorschläge in die Diskussion ein, auf die im politischen Raum noch niemand gekommen ist.

Dieses Potential nicht abzurufen wäre töricht. Gleichzeitig ist es aber auch in Bezug auf die zunehmende Skepsis gegenüber der Legitimität politischer Entscheidungen von äußerster Wichtigkeit, dass Politik sich nicht in Konkurrenz zur Bürgergesellschaft sieht, sondern diese konkret mit einbezieht. Wenn heute laut einer Studie der Quandt-Stiftung 2/3 der unter 30jährigen politische Entscheidungen nicht mehr alleine deswegen als legitim betrachten, weil sie von einem Parlament beschlossen wurden, müssen die Vertreter in der repräsentativen Demokratie genau darauf Antworten finden. Eine dieser Antworten lautet, die Menschen stärker in die Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse einzubinden und sie nicht nur alle fünf Jahre über Wahlen an den Grundzügen der Kommunalpolitik zu beteiligen. Die Regierungspräsidentin hat daher genau vor diesem Hintergrund zuletzt noch einmal deutlich gemacht, dass die Bezirksregierung, wie schon in Solingen geschehen, die Stadträte ausdrücklich ermuntert, partizipative Verfahren bei der Haushaltsaufstellung einzusetzen und darauf verwiesen, dass ihr Haus die dafür nötigen finanziellen Mittel freigeben wird.
Trotz all dieser guten Argumente war eigentlich absehbar, dass unser Antrag, wie auch schon alle anderen grünen Anträge zu diesem Thema, zum Scheitern verurteilt sein würde. Immerhin ist Bürgerbeteiligung nachweislich nicht gerade das Kernthema dieser Gestaltungsmehrheit.

Als ich dann Ende der vergangenen Woche den Antrag von SPD und CDU zur Kenntnis bekam, schoss mir zuerst durch den Kopf: „Es geschehen noch Zeichen und Wunder“. Und tatsächlich war ich im Zuge der ersten Überraschung, die nach der langjährigen Ablehnung eines Bürgerhaushaltes, den wir im Rat immer wieder gefordert hatten, geneigt, alle Kritik an ihrem Plagiat, denn um nichts anderes handelt es sich ja bei diesem Antrag, beiseite zu lassen. Denn in erster Linie freut es uns, dass wir sie mit unserer Initiative offenbar endlich dazu bewegt haben, sich mit dem Thema Bürgerbeteiligung zu beschäftigen. Dennoch möchte ich ein paar grundsätzliche Gedanken und Kritikpunkte zu ihrem Antrag äußern:

1. Unser Antrag ist bereits seit Mitte April bekannt und somit auch in den Fachausschüssen zur Diskussion gestellt worden, wie es sich gehört. Die Diskussion wurde aber nicht in den Fachausschüssen geführt, sondern auf den Rat geschoben. Es wäre genügend Zeit vorhanden gewesen, einen eigenen Antrag fristgerecht einzubringen, der dann ausreichend hätte in den Gremien behandelt werden können. So haben Sie sich einer breiten Diskussion entzogen, um kurzfristig auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Dass sie auch unseren Antrag hätten in unterstützen können, erwarte ich ja gar nicht mehr ernsthaft von Ihnen.

2. Ihr Antrag enthält keine wesentlichen Neuerungen im Vergleich zu unserer Initiative. Er verwässert lediglich und sorgt für reichlich Unschärfe. So vermeiden Sie so zwanghaft das Wort „Bürgerhaushalt“, dass man das Gefühl haben kann, sie wollten ja nicht zu weit gehen und sich festlegen lassen. Dabei können unter dem Begriff „Bürgerhaushalte“ viele unterschiedliche partizipative Verfahren gefasst werden. Was entscheidend ist, ist die Botschaft, die damit nach außen vermittelt wird. Und genau diese Botschaft wollen sie nicht verbreiten.

3. Man kann in beinahe jedem Satz ihrer Begründung deutlich herauslesen, dass es sich bei diesem Thema nicht um das Herzensanliegen von CDU und SPD handelt. Jeder Absatz trieft vor Skepsis gegenüber der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. So schafft man keine Begeisterung für ein neues Miteinander zwischen Politik und Gesellschaft.

Zusammenfassend muss man zu dem Ergebnis kommen, dass, wie so oft bei Original und Kopie, ein fader Beigeschmack zurückbleibt. Und wie so oft in der Vergangenheit bedeutet Politik unter der großen Koalition zumeist eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners. Dennoch werden wir, wenn unser Antrag von Ihnen abgelehnt wird, ihrem Antrag zustimmen, denn es ist ein kleiner Schritt, hin zu mehr Bürgerbeteiligung in unserer Stadt. Gleichwohl werbe ich für die Unterstützung unseres Antrages, denn in seinem Zentrum steht ein klares Bekenntnis zu einer neuen politischen Kultur in Wuppertal. Es ist ein wichtiger Zukunftsfaktor für unsere Stadt, dass die Menschen, die in ihr leben, sich ernstgenommen fühlen und ihre Vorstellungen und Erfahrungen in die Gestaltung ihres Umfelds mit einbringen können. Dabei ist eine verstärkte Partizipation keine Konkurrenzveranstaltung zur repräsentativen Demokratie, sondern eine sinnvolle und notwendige Ergänzung.

Der Weg zu diesem Ziel ist sicherlich lang, er wird aber nicht dadurch kürzer, dass man sich erst gar nicht in Bewegung setzt. Mit dem Bürgerhaushalt würden wir einen ersten Schritt tun, den andere Städte schon längst gegangen sind. Wir sollten uns heute endlich auf den Weg machen.