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Demografie gestalten – Masterplan Integriertes Stadtentwicklungskonzept

25. Februar 2010

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

der demografische Wandel wirkt sich auch auf Wuppertal aus. Prognosen gehen davon aus, dass die EinwohnerInnenzahl im Jahr 2020 bei 330.000 Menschen liegen wird. Die Bevölkerung nimmt ab, sie wird älter, der Anteil mit Migrationshintergrund nimmt zu und die soziale und räumliche Trennung wird stärker.
Die Stadt muss deshalb Zukunftsstrategien entwickeln, die auf diese Entwicklung angemessen reagieren. Der demografische Wandel muss deshalb zum zentralen Handlungsschwerpunkt von Politik und Verwaltung werden.

Vor diesem Hintergrund wird die Verwaltung beauftragt, einen Masterplan für ein integriertes Stadtentwicklungskonzept zu erarbeiten.

Bei sinkender EinwohnerInnenzahl ist ein kontrollierter Um-(Rück-)bau der Infrastruktur notwendig. Im Jahr 1968 zählte Wuppertal noch 425.000 Einwohner und dem entsprechend wurde die Stadt und ihre Infrastruktur auf diese Größe ausgebaut.

Dieses Konzept soll alle Lebensbereiche berücksichtigen, die durch die demografische Entwicklung verändert werden. Bei der Entwicklung des Konzeptes ist Gender Mainstreaming durchgängig auf alle Themenfelder anzuwenden, bei jeder Strategie oder Maßnahme sind dementsprechend die Auswirkungen auf Frauen und Männer zu berücksichtigen.

Ziel des Masterplanes ist es, konkrete Handlungsstrategien für Wuppertal zu entwickeln und zu bündeln, dazu gehören unter anderem die Bereiche Stadtentwicklung, Verkehr, Umwelt, Gesundheit, Kinder- und Familienfreundlichkeit, Wohnen im Alter, Verkehrspolitik, Einzelhandel usw..

Das Konzept soll deshalb folgende Themenbereiche beinhalten und Entwicklungsziele berücksichtigen, die auch auf kurz-, mittel- und langfristige Realisierbarkeit hin analysiert werden.

Dem Rat der Stadt Wuppertal ist spätestens bis Dezember 2010 ein abgestimmter Entwurf vorzulegen.

Beispiele für Entwicklungsziele, die in das Konzept integriert werden sollen:

 Die zentrale Frage des Konzeptes lautet, wie Wuppertal auch in Zukunft ein für BürgerInnen attraktives und gleichermaßen finanzierbares Angebot an infrastrukturellen Einrichtungen vorhalten kann, obwohl die Zahl der BürgerInnen dauerhaft sinkt.

 Bevölkerung/Stadtflucht. Das Konzept soll die verschiedenen Maßnahmen und Projekte gegen Stadtflucht, die ggf. bereits jetzt von verschiedenen Fachbereichen der Verwaltung entwickelt und durchgeführt werden, durch eine federführende Hand bündeln und eine Prioritätenliste erstellen, um eine effektivere Durchführung der Maßnahmen zu ermöglichen.

 Wohnen. Das Wohnumfeld ist ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität einer Stadt. Daher ist ein wichtiger Schritt gegen den Bevölkerungsrückgang in Wuppertal die Schaffung von nachfragegerechten Wohnungen. In Wohnvierteln sollten (insbesondere auch mit Blick auf den demografischen Wandel) für jede Generation genügend Wohnungen vorhanden sein; vor allem ist die Schaffung von günstigen familiengerechten Wohnungen und Angeboten für SeniorInnen (betreutes Wohnen, SeniorInnenwohngruppen) wichtig.

 Wirtschaft. Es ist erforderlich, den Strukturwandel der Wuppertaler Wirtschaft zu unterstützen. Neue Gewerbeflächen sollen an Standorten ausgewiesen werden, wo sie städtebaulich verträglich und gleichzeitig günstig für zukunftsfähige Branchen sind. Vorrangig sollen Neuansiedlungen auf Gewerbebrachen erfolgen. Die Kooperation der drei bergischen Großstädte im Bereich Wirtschaft ist von besonderer Bedeutung.

 Einzelhandel. Ein Ziel der Stadtentwicklung muss es sein, in den verschiedenen Stadtteilen die Nahversorgung sicherzustellen bzw. zu erweitern.

 Schulen. Obwohl seit 1997 die SchülerInnenzahlen kontinuierlich rückläufig sind. Ziel ist es, das Schulangebot vor allem im Hinblick auf Ganztagsbetreuung und Integration zu verbessern und weiter zu entwickeln, auch mit der Absicht, so der Stadtflucht entgegenzuwirken.

 Tageseinrichtungen für Kinder. Das wichtigste Ziel ist hier, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und Wuppertal als familienfreundliche Stadt zu positionieren. Hierfür ist ein bedarfsgerechtes Angebot erforderlich.

 Jugendfreizeitangebote. Diese Angebote sollten so gestaltet werden, dass sie den wachsenden Integrationserfordernissen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und der steigenden Anzahl von Kindern aus problematischen Familienverhältnissen gerecht werden. Daher ist die Schaffung von flexiblen, offenen Angeboten erforderlich (einschließlich Multifunktionshallen). Es ist nicht davon auszugehen, dass der Bedarf an Betreuungs- und Hilfsangeboten für Jugendliche in naher Zukunft sinkt.

 Angebote für SeniorInnen. In diesem Bereich ist es ein Ziel, verstärkt seniorInnengerechte Wohnungen zu schaffen und die Kooperation zwischen in der SeniorInnenarbeit tätigen und den Wohnungsbaugesellschaften zu stärken, um den SeniorInnen die Chance zu bieten, so lange wie möglich zu Hause zu wohnen. Da sie als starke Nachfragegruppe in den Bereichen Freizeit/Gesundheit und Kultur an Bedeutung gewinnen, gibt es hier noch deutliche Potenziale zur Verbesserung der Angebote.

 Sport- und Bäderinfrastruktur, Freizeitangebote. Der demografische Wandel und neue Wünsche der Sporttreibenden haben große Auswirkungen auf die Sport- und Bäderlandschaft. Gesundheitsprophylaxe, Fitness, Wellness und Trendsportarten gewinnen hier an Bedeutung, während die Mitgliederzahl von Vereinen vor allem bei traditionellen Sportarten rückläufig ist. Allgemeines Entwicklungsziel ist die Erhaltung Wuppertals als attraktiven Sportstandort (auch für den Leistungssport).

 Kultur. Öffentliche Kulturangebote müssen die vielfältiger werdenden kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung widerspiegeln, um auf Interesse zu stoßen. In Zukunft sollen so gezielt und verstärkt Menschen mit Migrationshintergrund von öffentlichen Kulturangeboten angesprochen werden. Darüber hinaus sind die verstärkte Förderung von Kindern und Jugendlichen im kulturellen Bereich und die stärkere Berücksichtigung der Wünsche von Senioren/Innen wichtige Entwicklungsziele.

 Gesundheit. Das öffentliche Gesundheitswesen muss auf die Bedürfnisse der größer werdenden Altersgruppe der SeniorInnen Rücksicht nehmen und sich auf die verstärkte Behandlung von chronischen Krankheiten einstellen. In gleicher Weise muss auf die Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund Rücksicht genommen werden.
Da PatientInnen heute häufig kürzer als bisher stationär in Krankenhäusern behandelt werden, ist nach der Entlassung eine entsprechende medizinische Betreuung sicherzustellen. Zu diesem Zweck soll die Kooperation der Beteiligten (Hausärzte, ambulante Pflegedienste) gefördert und verstärkt werden. Der Bereich der Gesundheitsvorsorge gewinnt an Bedeutung und ist ein wichtiger „weicher“ Standortfaktor.

 Umwelt- und Freiflächensituation. NutzerInnen und SchützerInnen von Freiflächen sollten sich kooperativ um die Erhaltung und Sicherung der attraktiven Landschaft Wuppertals bemühen. Darüber hinaus ist es ein allgemeines Ziel, die vorhandenen Grün- und Freiräume zu schützen und zu pflegen sowie mehr grün in die Stadt zu holen, um die Attraktivität der Stadt zu steigern und den Standort Wuppertal aufzuwerten. Ferner soll der Gewässer- und Bodenschutz vorangetrieben werden.

 Klima. Hier ist das Entwicklungsziel, sanierungsbedürftige Gebäude auf den neusten wärme- und energietechnischen Stand zu bringen, da in Zukunft nur noch sanierte Gebäude vermietet werden können (insbesondere mit Blick auf die rückläufige Bevölkerungszahl). Im Weiteren soll die Klimaschutzarbeit insgesamt intensiviert werden.

 Luft und Lärm. Verstärkte Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung und zum Lärmschutz müssen entwickelt werden, um die ab 2010 gültigen Grenzwerte einzuhalten.

Begründung:
Die fortlaufende demografische Veränderung (Bevölkerungsrückgang, sinkende Geburten, zunehmende Überalterung etc.) der Stadt Wuppertal beeinflusst schon jetzt die Anforderungen an die Stadtentwicklungsplanung.
Es besteht die Gefahr, dass vorhandene Einrichtungen und Infrastrukturen nicht mehr ausreichend ausgelastet sind und nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Weiterhin wird es aufgrund der defizitären Haushaltslage immer schwieriger, bedarfsgerechte infrastrukturelle Angebote bereitzustellen. Die Notwendigkeit der Schließung vieler Einrichtungen wird eine räumliche Unterversorgung bestimmter Stadtquartiere zur Folge haben. Andererseits wird die notwendige Aufrechterhaltung von Dienstleistungen und Einrichtungen der Kommune zu weiteren höheren Belastungen der verbleibenden Bürger führen.

Ziel sollte daher sein ein quantitativ verkleinertes, aber hochwertiges Infrastrukturpaket zu schaffen.

Was fehlt, ist ein konkretes kommunales Handlungsprogramm im Sinne einer „Masterplanung Stadtentwicklung“ mit Beteiligung aller relevanten Fachplanungen, die querschnittsorientiert in die Stadtentwicklungsplanung mit einbezogen werden.

Was kann und was muss die Stadt Wuppertal für ihre Bürger in Zukunft leisten?

Die Stadt wird kleiner (aktuell 353.000 EinwohnerInnen) und viele Wohnungen in der Stadt stehen schon leer, weitere werden folgen. Zu beobachten ist, dass die Stadtverwaltung als Antwort auf diese Situation an den Stadträndern immer weitere Flächen zur Bebauung freigibt (z.B. Rädchen/ Heidt, Ludgerweg/Filchnerweg, Cronenberger Wiesen) und jetzt auch noch die Kleine Höhe zur Wohnbebauung freigeben will.
Die Innenstadtentwicklung der Talachse muss dringend voran getrieben werden.
Ganze Stadtteile wie Wichlinghausen, Oberbarmen, Arrenberg und Ostersbaum müssen gestützt und gestärkt werden.
Die Kosten für die Unterhaltung vorhandener, nicht ausgelasteter Infrastrukturen sind auf Dauer nicht mehr finanzierbar. Beispielsweise müssen bei einem weiteren flächenhaften Ausbau der Stadt die Kosten für die Unterhaltung des Straßen- und Kanalnetzes durch immer weniger Menschen und Firmen getragen werden. Weitere Steigerungen der Abwasser-, Abfall- und Straßenreinigungsgebühren wären programmiert.
All dies zusammen genommen macht ein konkretes Stadtumbau- und Rückbaukonzept notwendig. Damit können vorhandene und erschlossene Flächen auf der Talachse zukunftsfähig entwickelt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Vorsteher
Fraktionsvorsitzender

Lorenz Bahr
Stadtverordneter